Mennonitengemeinde Bammental

Lazarus – Liebe, Tod und Leben – Grenzüberschreitungen Joh 11, 1-3;14-27;33-45

Jürgs preisgekrönte Predigt kann man nun auch hier nachlesen. Sie wurde im Herbst gehalten und ist deshalb von Herbstbildern inspiriert.

Zweideutige Tage
Wenn ich in diesen Tagen durch den Wald oder übers Feld gehe, dann ist da eine zweideutige Stimmung. Zum einen liegen Massen von Eicheln, Buchnüssen, Kastanien am Boden, die Reben reifen, Nüsse fallen vom Baum, Birnen und Äpfel warten darauf gepflückt zu werden, oder liegen schon am Boden. Ich rieche die Reife in der Luft. Man hat das Gefühl: hier kommt etwas zum Ziel, ist herangereift, hat Frucht gebracht.
Aber da sind auch Zeichen, dass das Wachstum, das aufblühende Leben seinen Horizont weit überschritten hat, die Blätter fallen, die Wärme, die wir noch genießen, ist schon mehr Erinnerung an den Sommer, trägt schon den Abschied in sich. Überreife Früchte verfaulen am Boden. Man kann auch riechen, wie hier das Leben vergeht und zerfällt.
Ich ertappe mich, dass ich schon zurückblicke und frage: was war denn eigentlich in diesem Sommer, von dem ich mir doch einiges versprochen hatte? Ist schon alles wieder Erinnerung? Da denke ich an Menschen, mit denen ich Schönes erlebt habe, und ich weiß nicht, ob ich sie überhaupt noch einmal sehen werde. Viel zu schnell muss ich wieder Abschied nehmen von Menschen, mit denen ich Bedeutendes geteilt habe.

Herbst lässt die Zweideutigkeit aufscheinen, die unser Leben durchzieht: Es läuft auf Höhepunkte zu, auf denen wir am liebsten anhalten möchten, aber dann sind diese schon wieder Erinnerung.  Früchte sprechen davon, dass wir hoffen, dass unser Leben auf etwas Bleibendes zuläuft, etwas Gültiges hat, aber wir kennen das immer nur im Zusammenhang damit, dass etwas auch vergeht.

Ohnmächtige Erinnerung

Erinnerung selbst ist etwas Zweideutiges, ambivalent. In Bildern können wir uns schöne Momente, geliebte Menschen gegenwärtig halten. Sie stehen lebendig vor uns. Aber diese Gegenwart ist auch ohnmächtig, weil sie paradoxerweise gerade das Gegenteil deutlich macht, dass das Vergangene eben fort ist, nicht mehr da. Die Stoiker haben sich darum zum Leitsatz gemacht, dass es am besten ist, sich an gar nichts zu hängen, was vergänglich ist, sich von nichts bewegen zu lassen, was nicht von Dauer ist. Und auch Buddha hat gewarnt: Leidenschaft, Liebe, Bindung ist Leiden, nur wer sich von allem Vergänglichen ablöst, findet wirklich zu Ruhe und Erfüllung.
In einer solchen Haltung ragt mit der Vergänglichkeit der Tod schon mächtig ins Leben hinein. Da verhindert er schon mitten im Leben, dass wir uns wirklich mit Haut und Haar auf das Leben einlassen. Besser nicht zu sehr lieben, sich nicht zu sehr freuen, dann ist der Schmerz beim Loslassen auch nicht so groß. Die kleinen und großen Ängste, dass ich verletzt werden könnte, dass ich die Kontrolle verlieren könnte, all das hindert mich, dem Leben Raum zu lassen, zu wagen.

Jesus spricht anders
Jesus spricht anders, wenn es um die Frage geht nach dem, was bleibt. Wir hören hinein in die letzte große Erzählung im Johannes-Evangelium, bevor die Passion beginnt. Schon der erste Satz hat Signalwirkung: „Es war aber einer krank.“ Noch bevor der Name genannt wird, wird festgestellt: hier ist etwas aus der Ordnung geraten, jemand bedarf der Heilung. Auch der Schmerz des Abschied Nehmens, wenn etwas vergeht, vorbei ist, zeugt  davon, dass etwas nicht in Ordnung ist. Das muss nicht einfach hingenommen werden: es ist etwas krank. Hier wird nicht nur von einem besonderen Fall erzählt, Lazarus steht für viele Menschen. Es wird etwas über den Zustand dieser Welt gesagt: da ist etwas krank in dieser Welt. Auch wenn wir gesund sind, wissen wir um die Anfälligkeit unseres Lebens, die wir in Krankheit umso schärfer erfahren. Ich lese in Auszügen:

Joh 11: 1-3:
1. Es war aber ein Gewisser krank, Lazarus von Bethanien, aus dem Dorfe der Maria und ihrer Schwester Martha.

2. (Maria aber war es, die den Herrn mit Salbe salbte und seine Füße mit ihren Haaren abtrocknete; deren Bruder Lazarus war krank.)

3. Da sandten die Schwestern zu ihm und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du lieb hast, ist krank.

Joh 11: 14-27
14. Dann nun sagte ihnen Jesus gerade heraus: Lazarus ist gestorben;
15. und ich bin froh um euretwillen, daß ich nicht dort war, auf daß ihr glaubet; aber laßt uns zu ihm gehen.
16. Da sprach Thomas, der Zwilling genannt ist, zu den Mitjüngern: Laßt auch uns gehen, auf daß wir mit ihm sterben.
17. Als nun Jesus kam, fand er ihn schon vier Tage in der Gruft liegen.
18. Bethanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa fünfzehn Stadien weit;
19. und viele von den Juden waren zu Martha und Maria gekommen, auf daß sie dieselben über ihren Bruder trösteten.
20. Martha nun, als sie hörte, daß Jesus komme, ging ihm entgegen. Maria aber saß im Hause.
21. Da sprach Martha zu Jesu: Herr, wenn du hier gewesen wärest, so wäre mein Bruder nicht gestorben;
22. aber auch jetzt weiß ich, daß, was irgend du von Gott bitten magst, Gott dir geben wird.
23. Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen.
24. Martha spricht zu ihm: Ich weiß, daß er auferstehen wird in der Auferstehung am letzten Tage.
25. Jesus sprach zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist;
26. und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit. Glaubst du dies?

27. Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, daß du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.

Joh. 11: 32-45
32. Als nun Maria dahin kam, wo Jesus war, und ihn sah, fiel sie ihm zu Füßen und sprach zu ihm: Herr, wenn du hier gewesen wärest, so wäre mein Bruder nicht gestorben.
33. Als nun Jesus sie weinen sah, und die Juden weinen, die mit ihr gekommen waren, seufzte er tief im Geist und erschütterte sich
34. und sprach: Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie sagen zu ihm: Herr, komm und sieh!
35. Jesus vergoß Tränen.
36. Da sprachen die Juden: Siehe, wie lieb hat er ihn gehabt!
37. Etliche aber von ihnen sagten: Konnte dieser, der die Augen des Blinden auftat, nicht machen, daß auch dieser nicht gestorben wäre?
38. Jesus nun, wiederum tief in sich selbst seufzend, kommt zur Gruft. Es war aber eine Höhle, und ein Stein lag darauf.
39. Jesus spricht: Nehmet den Stein weg. Die Schwester des Verstorbenen, Martha, spricht zu ihm: Herr, er riecht schon, denn er ist vier Tage hier.
40. Jesus spricht zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt, wenn du glauben würdest, so würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen?
41. Sie nahmen nun den Stein weg. Jesus aber hob die Augen empor und sprach: Vater, ich danke dir, daß du mich erhört hast.
42. Ich aber wußte, daß du mich allezeit erhörst; doch um der Volksmenge willen, die umhersteht, habe ich es gesagt, auf daß sie glauben, daß du mich gesandt hast.
43. Und als er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!
44. Und der Verstorbene kam heraus, an Füßen und Händen mit Grabtüchern gebunden, und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch umbunden. Jesus spricht zu ihnen: Löset ihn auf und laßt ihn gehen.
45. Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was er getan hatte, glaubten an ihn.

„Herr, der den du lieb hast, ist krank“:
Jesus löst sich nicht ab von den Menschen, er liebt die Menschen, mit denen er zusammen ist, verbindet sich mit ihnen, bleibt nicht auf Distanz. Mehrmals taucht das auf, klingt an, wenn Jesus bewegt ist davon, dass hier etwas zerbricht, und einmal schreibt Johannes lapidar: Und Jesus weinte. Dies ist der Ausdruck davon, was Jesus zu Nikodemus am Anfang des Johannes-Evangeliums sagte: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab.
Es stinkt in dieser Welt. Da ist Tod in ihr, das wird nicht geleugnet, aber er wird nicht als den allgemeinen Lauf der Dinge anerkannt und schon gar nicht gut geheissen. Jesus findet sich nicht einfach damit ab, dass ein Freund stirbt. Er trauert, ist bewegt.
Gott hält sich nicht fern, er lässt sich herbei in den Gestank dieser Welt, so wie Jesus sich dem Grab nähert. Jesus trauert nicht nur mit den Menschen, er lässt sich auch selbst treffen von der Trauer, dass der Tod einen Gestank in die Welt gebracht hat, der alles Lieben in Frage stellt.

Komm und Sieh!

Das wird auch in einem weiteren Signalsatz angedeutet: „Komm und Sieh!“ Am Anfang des Wirkens  Jesu lädt Philippus mit diesem Satz den Nathanael ein, sich auf Jesus einzulassen: Gott lädt die Menschen in seine Nähe ein, damit sie erkennen können, wer er ist. Aber hier ist es umgekehrt: Nun laden die Menschen, die mit Maria und Marta trauern, Jesus ein. Er ist erschüttert von der Trauer und fragt: Wo habt ihr ihn hingelegt, und sie antworten: Komm und sieh!
Der Jesus, den die Jünger erkannt haben, von dem sie wissen, dass sich in ihm Gott, der Vater zeigt – dieser Jesus lässt sich nun einladen und geht auf das ganz andere „Komm und Sieh!“ ein: Komm und sieh die Not, die unser Leben trifft. Komm mit uns, dorthin, wo unser Leben dunkel ist, dorthin, wo wir nicht fertig werden mit dem, was uns geschieht. Wo unser Leben stinkt, die Orte, die wir selbst oft meiden, die wir nicht offen legen. Auch das ist in diesem Satz drin: das Grab wird nicht gemieden, auch wenn es als unreiner Ort gilt. Die Menschen haben Jesus scheinbar gut genug kennen gelernt, dass sie wissen, dass ein unreiner Ort Jesus nicht abschreckt.

Gott kommt in unsere Not hinein, lässt sich ins Dunkle ein, und zwar nicht nur als Licht, das in der Dunkelheit scheint – er selbst lässt sich treffen von dem Schmerz, von der unheimlichen Macht, mit welcher der Tod sich behaupten will. Das ist ein Aspekt der Menschwerdung Gottes, der uns zu oft aus dem Blick fällt. Wir eilen rasch weiter und sehen schon den Auferstandenen, als würde der Tod ihn nichts angehen. Und so bekommen wir einen Gott, bei dem wir oft leise oder auch laut zweifeln, ob er denn auch wirklich mit uns ist in unserer Not, in der Not dieser Welt, dort, wo die Welt stinkt, krank ist, wo sich der faulige Geruch der Verwesung breit macht.

Warum wartet Jesus?
Die Frage, ob sich Gott wirklich auf die Not einlässt, wird in der Erzählung auch durch die Spannung sichtbar, die sich hinzieht, bis Jesus endlich dem begegnet, was schon im ersten Satz hingestellt wird: Es war einer krank, und jetzt ist er auch schon gestorben. Jesus weiß schon länger um die Krankheit von Lazarus, aber er wartet bewusst; er bricht erst auf, als Lazarus schon tot ist. Warum nicht früher? Er begegnet Marta, dann Maria, und beide stellen fest: „Herr, wenn du hier gewesen wärest, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.“ Wir hören diesen Satz mit dem Unterton des Vorwurfs – warum wartet Jesus? Die Trauernden fragen später ganz offen: Wenn er dem Blinden die Augen aufgetan hat, warum hat er denn diesen, der ihm so nahe steht, nicht geheilt?

Zur Verherrlichung Gottes

Die Antwort ist nicht einfach. Als die Nachricht kommt, dass Lazarus gestorben ist, sagt Jesus zu den Jüngern: „Ich freue mich für euch, dass ich nicht dort gewesen bin, damit ihr zum Glauben kommt.“ Der Tod von Lazarus soll zur Verherrlichung Gottes dienen. Wird da einfach ganz brutal instrumentalisiert? Muss Lazarus sterben, damit Jesus seine Macht erweisen kann? Ist Lazarus ein Mittel, das einem höheren Zweck dienen muss, damit Gott sich in seiner Herrlichkeit offenbaren kann?
Auch das ist eine Frage, die ich an mir kenne. Die Angst, dass mein Leben irgendwie zu einem Opfer wird, damit Gott groß herauskommt, ich zugunsten einer höheren Sache verzichten muss, hinten an stehe.
Uns werden oft Geschichten von Menschen vor Augen geführt, die sich opfern für eine gute Sache und selber zu kurz kommen, ihre Opfer vielleicht zunächst gar unerkannt bleiben; aber weil es für eine gute Sache ist, wird es als gerechtfertigt dargestellt. Und dann kommt leise oder manchmal auch laut die Angst auf, dass ich auch von Gott für seine Sache instrumentalisiert werde. Dass ich irgendwie aussen vor bleibe, und Gott einfach seinen Plan durchziehen will, ich nur ein Rädchen bin in der großen Maschinerie des Welttheaters.

Nicht ohne meine Menschen!
Aber auch das ist ein Bild, das entsteht, wenn wir uns einen Gott vor Augen halten, der den Menschen fern bleibt, nicht wirklich selbst Mensch wird und sich mitten in unser Leben stellt.
Denn: Gott hat mit Jesus gezeigt, dass er gerade nicht ohne seine Menschen zu seinem Ziel kommen will. Es gibt keine Verherrlichung Gottes, ohne dass wir Menschen an unser Ziel kommen. Gott hat sich so mit uns Menschen verbunden, dass er nicht an sein Ziel kommt, ohne dass wir unsere Bestimmung erreichen. Nicht dass seine Sache damit von uns abhängen würde, aber: seine Ehre, seine Verherrlichung ist gerade, dass er fertig wird mit dem Gestank in dieser Welt; dass unser Leben zu einer Gültigkeit kommt, die bleibt; der Herbst nicht den nahenden Tod ankündigt, sondern die Erfüllung des Lebens. Und das soll hier erlebt werden, gerade in der Situation, die wir als unausweichlich vor uns sehen: dass unser Leben auf den Tod zuläuft. Dass wir verlieren, was uns lieb geworden ist.

Hoffnung wird Gegenwart
Darum geht es in dem Gespräch mit Marta, das im Zentrum der Erzählung steht. Jesus spricht mit ihr von der Auferstehung, davon, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Im Gespräch mit Jesus erlebt Marta, dass eine Hoffnung, die noch weit weg und unfassbar ist, plötzlich Gegenwart wird – Jesus verspricht ihr: „Dein Bruder wird auferstehen.“ – Marta entgegnet: „Ich weiss, dass er auferstehen wird in der Auferstehung am Jüngsten Tag.“ Dieses Wissen sagt ihr, dass Lazarus‘ Leben nicht endgültig abgeschlossen ist, dass es trotz dem jetzigen Tod irgendwann einmal eine Zukunft geben wird, in der das wieder da ist. Aber ich bekomme den Eindruck, dass Marta das nicht mit dem Schmerz des Verlustes in Zusammenhang bringt, dass das wie zwei Welten sind, die sich nicht berühren. Der Glaube an die ferne Auferstehung ist kein wirklicher Trost in der Gegenwart des Verlustes.
Und dann kommt Jesus mit diesem paradoxen Satz: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben.“ Das ist schwer zu verstehen: Sterben und doch Leben? Was wir als so scharfe Grenze erleben, wird hier verwischt: der Tod überwindet das Leben nicht. Jesu Ausspruch: „Ich bin die Auferstehung“  rückt die vage Hoffnung, die mit diesem Leben so wenig zu tun hat, mitten in die Gegenwart: Die Auferstehung steht vor dir! Ich bin der, in dem dein Leben zur Fülle kommt. Ich bin jetzt da, und auch wenn es nach Tod stinkt, so weißt du, dass das Leben darüber hinweg trägt.
So schwer es zu fassen ist, ich glaube, dass wir diese Worte möglichst wörtlich nehmen sollen. Da ist nicht von Leben die Rede, das irgendwie über dieser Welt schwebt. Jesus, der das Wort ist, durch den die Welt geschaffen ist, er ist das Leben, das diese Welt am Leben erhält. Der Grundpuls, der noch unter allen biochemischen Abläufen pulsiert, der noch unter dem trägt, was wir als Leben zu erkennen vermögen. Und der darum auch dort noch trägt, wo das Leben zu Zerfall wird. Natürlich bleibt da ein Geheimnis, unsere Augen bleiben noch gehalten, wir sehen im Verlust das Bleibende noch nicht: aber in Jesus ist es doch schon gegenwärtig.

Ein Gegenwort auf die mächtige Behauptung des Todes
Wenn Jesus dann den Lazarus ins Leben zurück ruft, dann ist das noch nicht die endgültige Überwindung des Todes. Auch Lazarus wird wieder sterben, und für ihn, wie für alle, die vor uns gegangen sind, wie auch für uns – steht die Auferstehung noch aus: jene Verwandlung ins Bleibende. Aber die Auferweckung zeigt, dass Jesus nicht ins Leere spricht, wenn er von sich behauptet, dass er die Auferstehung ist: vor ihm weicht der Tod zurück, Jesus holt ins Leben zurück. Und das ist die Verherrlichung Gottes, die hier vorausahnend an Lazarus sichtbar wird, auch wenn es noch nicht das Letzte offenbart: Gott sorgt dafür, dass das Stinkende überwunden wird, dass der Zerfall, das Vergehen, das Abschied Nehmen nicht das Letzte ist. Da ist ein Gegenwort auf die mächtige Behauptung des Todes: Ich bin das Leben! Auch wenn damit der Tod nicht aus der Welt geschafft ist, gibt Jesus hier gewissermaßen die Garantie ab, dass unter der Oberfläche des Lebens dieser Welt noch ein Leben ist, jenes, das durch trägt und letztlich siegen wird.

Und damit macht er Mut, uns trotz aller Vergänglichkeit aufs Leben einzulassen. Sich an Menschen binden, Beziehungen wachsen lassen, sich miteinander freuen, nicht zurück scheuen davor, dass wir zeitweilig Abschied nehmen und loslassen müssen.

Das Leben wagen
Wenn Jesus das Leben ist und die Auferstehung als Wirklichkeit in die Gegenwart hineinspricht, dann wandelt das auch den Tod selbst. Was auf uns wartet, ist nicht einfach ein früherer oder späterer Abbruch des Lebens, ein Abstürzen in einen Abgrund, von dem wir nicht wissen, ob er überhaupt einen Boden hat. Sondern: wir erwarten, dass unser Leben auf einen Punkt der Reife, der Erfüllung hinläuft. Ja, wir erleben noch die Zweideutigkeit, dass Früchte nicht nur Zeichen der Fülle sind, dass nicht alles zu einem guten Ende kommt, dass Früchte auch faulend am Boden liegen. Am Ende jeden Lebens bleibt aus unserer Sicht Vieles unvollendet, Fragmente, Ansätze. Aber das Wissen darum, dass Jesus die Auferstehung und das Leben ist,  steht mitten drin. Gerade weil er sich selbst mitten in unsere Not begibt, sich treffen lässt vom Schmerz des Verlustes und Zerbruchs, gerade darum kann er auch sein Wort des Lebens in diese Welt hinein sprechen. Er verheißt uns, dass in ihm unser Leben zur Vollendung finden wird. Dass auch das, was uns verloren geht, nicht endgültig verloren ist. Und wir darum mutig wagen dürfen, säen und arbeiten, feiern und trauern, Freundschaften bauen, auch wenn wir nicht durchblicken können auf das, was daraus werden wird.
Daran möchte ich denken, das möchte ich sehen, wenn ich jetzt den Herbst (oder den Sommer) erlebe: die Verheißung, dass unser Leben wächst, sprosst und zur Reife, zu Früchten heranwächst.