Mennonitengemeinde Bammental

Interview mit Jürg Bräker über Menno-Simons-Predigtpreis

Jedes Jahr wird der Menno Simons Predigtpreis an eine Person aus der
Arbeitsgemeinschaft Mennonitischen Gemeinden in Deutschland verliehen.
2010 bekam Jürg Bräker aus unserer Gemeinde diesen Preis für seine Predigt
über Johannes 11, die er in der Gemeinde im Herbst 2009 hielt. Als Preis
bekommt nicht nur Jürg selbst, sondern auch die Gemeinde Geld (1000€), um
die Predigtkultur der Gemeinde zu fördern. Für die Preisverleihung werden
Jürg und einige aus der Gemeinde Mitte Juni nach Hamburg fahren. Nicht alle
Gemeindeglieder können nach Hamburg fahren, um bei der Verleihung dabei
zu sein. Um mehr über die Verleihung und was dahinter steckt zu erfahren,
wird Jürg uns hier durch ein paar Fragen mehr darüber informieren.


Wer stiftet den Menno Simons Predigtpreis und warum?

Der Preis wird von der Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen an der
Universität Hamburg verliehen, gestiftet ist er von Dr. h.c. Annelie Kümpers-
Greve, die der Mennonitengemeinde Hamburg angehört. Zweck ist es,
Predigten zu fördern, welche die biblische Botschaft im Licht der täuferischmennonitischen
Theologie zur Sprache bringt. Die ist zum einen mit
friedenskirchlichen Themen und einer gesellschafts-politischen Perspektive
verbunden, zum andern spielt darin aber auch Glaubwürdigkeit durch das
persönliche Zeugnis eine wichtige Rolle. Täuferisch-mennonitische Theologie
ist nicht eng definiert, weil wir ja weder gemeinsame Bekenntnisschriften
noch ein zentrales Lehramt haben. Sie richtet sich stärker an einer in der
Gemeinschaft entwickelten Perspektive aus. Der Predigtpreis möchte die
mennonitsche Theologie gerade nicht abgrenzend verstanden wissen, sondern
in Auseinandersetzung mit einer weiteren ökumenischen Perspektive.

Könntest du uns erklären, was die Kriterien für eingereichte Predigten sind?

Grundsätzlich kann jede Predigt eingereicht werden. Die Kriterien sind nicht
so eng. Bewertet werden die klassischen wissenschaftlich-exegetischen
Fragen, ob das Thema in seiner Tiefe und Vielfalt erfasst wurde und die
Aussage dem Text gerecht wird; aber auch, wie das Thema auf unsere
Lebenswelt heute angewandt wird, ob unsere Fragen, die
Gemeindewirklichkeit ernst genommen wird. Die Predigt sollte zum
Weiterdenken anregen, ungewohnte Perspektive aufzeigen und nicht nur
bekannte Wahrheiten wiederholen. So ist sicher auch ein kreatives Element
gefragt. Es sollten natürlich auch die friedenskirlichlichen Themen
angesprochen werden (was bei meiner Predigt weniger der Fall war), aber
auch eine Auslegung, die Ansätze aus anderen kirchlichen Traditionen neu
interpretiert, kann hilfreich sein. Das sind aber wohl alles Dinge, die man nicht
im Blick hat, wenn man eine Predigt für eine konkrete Gemeinde hält. Wenn
man eine Predigt nur mit der Absicht schreibt, den Kriterien für einen Preis zu
genügen, wird es kaum eine gute Predigt. Das wichtigste Kriterium ist darum
wohl, dass ein echtes Anliegen sichtbar wird, eine Botschaft, welche das Wort,
das mich angesprochen hat, in die Gemeinde hineinspricht. Eine gute Predigt
ist für mich, wenn ich den sicheren Boden der Erfahrung verlasse, mich „aus
dem Fenster lehne“, wenn ich mich selbst auf den Boden des Glaubens begebe,
das, was ich für wahr halte, worauf ich mich selbst stellen möchte, ohne das
immer zu schaffen. Das wurde denn auch von der Jury wahrgenommen und
positiv gewertet.

Wie kam es dazu, dass du deine Predigt eingereicht hast?

Ich wusste vom Preis von Fernando Enns, der die Arbeitsstelle Theologie der
Friedenskirchen leitet. In der Gemeinde erlebe ich, dass meine Predigten etwas
auslösen, ich bekomme viel Feedback, da habe ich mir schon mal überlegt, ob
ich eine Predigt einreichen sollte. Hiltrud hat mich mehrmals ermutigt, und das
war wichtig, denn ich selbst kann jeweils nur schwer abschätzen, ob eine
Predigt nun gut war oder nicht. Beim Durchschauen der Predigten, die ich im
Laufe des Jahres gehalten hatte, fand sich nur eine, die den engeren Kriterien
entsprach; von der war ich aber nicht so überzeugt. Ich habe sie stark
überarbeitet, mit ihr aber auch noch eine zweite Predigt eingereicht, von der ich
mehr überzeugt war, auch wenn sie kaum typisch mennonitische Themen
ansprach. Die zweite Predigt erhielt den Preis. Das löste in der Jury auch eine
Diskussion aus, wie das zentrale Kriterium der mennonitischen Tradition zu
interpretieren sei.

Leider können nicht alle Gemeindebesucher mit nach Hamburg, aber die
Predigt, die du auch wieder in Hamburg halten wirst, hast du schon bei uns
gehalten. Könntest du den Hauptgedanken der Predigt zusammenfassen, als
kleinen Gedankenanstoß?

Ich habe die Predigt im vergangenen September gehalten. Der Herbst führt uns
die Zweideutigkeit des Lebens vor Augen, das zu einem Ziel kommt. Eine
Frucht bedeutet Fülle, Reife, aber im Herbst riecht es auch nach verfaulten
Früchten, das Leben des Sommers vergeht und stirbt. Lohnt es sich überhaupt,
sich auf Freundschaften, auf Projekte, auf die Freude am Leben einzulassen,
wenn man weiß, dass irgendwann alles vom Tod eingeholt wird? Ist
gleichgültiger Abstand nicht eine weisere Haltung, damit uns der Schmerz nicht
so trifft, wenn etwas vergeht?
Die Erzählung von Lazarus konfrontiert uns mit dem Schmerz des Todes, mit
dem Gestank in der Welt, der sich vom Tod her schon mitten ins Leben
ausbreiten will. Wenn Jesus Lazarus aus dem Tod zurückruft, macht er nicht
den Abschied ungeschehen, sondern er zeigt, dass er, der Christus selbst das
Leben ist, das vom Tod nicht besiegt wird. Das macht Mut, dass wir uns auf
die Fülle des Lebens einlassen können, weil das Leben mehr ist als eine
vorübergehende Illusion, sondern in Christus zu etwas Bleibendem geführt
wird.

Die Predigt hast du selber verfasst. Warum soll unsere Gemeinde auch einen
Teil des Preisgeldes bekommen?

Predigten entstehen nicht im luftleeren Raum abstrakter Ideen, sondern im
gelebten Raum der Gemeinde. Ich habe konkrete Menschen vor Augen, wenn
ich mir überlege, was ein Text zu sagen hat, und die Gespräche, die durch eine
Predigt ausgelöst werden, fließen in die nächste ein. So ist die Gemeinde
durchaus auch mitbeteiligt, auch weil sie interessiert daran ist, theologisch
reflektierte Predigten zu hören, die wahrscheinlich manchmal ja auch
anstrengend sind und viel Aufmerksamkeit fordern. Die Stifter des Preises
drücken mit dieser doppelten Vergabe aus, dass die Gemeinde als Umfeld
wichtig ist. Es sollen nicht nur einzelne Personen gefördert werden, sondern
die ganze Gemeinschaft.

Hast du Ideen, wie die Gemeinde das Geld sinnvoll einsetzen könnte?

Naheliegend wäre sicher, in Kommentare zu investieren. Die müssten so
zugänglich gemacht werden, dass die Predigenden da unkompliziert Zugriff
haben. Eine CD-Rom wäre da vielleicht besser als Bücher. Eine weitere
Möglichkeit wäre, in unserer Gemeinde ein kleines Homiletik-Seminar zu
machen, in dem wir darüber arbeiten, was eine gute Predigt ausmacht
(Wissenschaftlichkeit beschränkt sich nicht auf Exegese und Theologie),
welche Formen von Verkündigung in unserer Zeit angebracht sind. Ein
gemeinsames Nachdenken über Wortverkündigung würde wohl der Absicht
des Preises am ehesten entsprechen.

Jürg, vielen Dank für das Gespräch und deine Dienste in der Gemeinde. Wir
freuen uns, dass du diese Auszeichnung bekommen hast!